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Influencer sind aktuell der große Buzz. Aber was sind Influencer überhaupt und was unterscheidet sie von Testimonials? Sind sie die neue Wunderwaffe oder stehen sie kurz vor dem Exodus? Darüber habe ich mit Mr. Media Thomas Koch gesprochen, der dem Influencer-Marketing skeptisch gegenüber steht. Ganz im Gegensatz zu David Eicher, der Geschäftsführer der Agentur Territory Webguerillas ist. Erstaunlich, dass ihr gemeinsamer Nenner nicht der kleinste ist.

Was ist denn überhaupt Influencer-Marketing? Und wie grenzt man es gegen Disziplinen wie Testimonial-Werbung ab?

David Eicher: Man muss wohl zuerst feststellen, dass wir keine allgemeinverbindliche Definition des Begriffs haben. Jedes Medium und jeder Kunde benutzt eben seine eigene Erklärung. Für Wikipedia ist ein Influencer „eine Person, die aufgrund ihrer starken Präsenz und hohen Ansehens in den sozialen Netzwerken eines kommerzialisierten Internets für Werbung und Vermarktung in Frage kommt.“ Für mich liegt das Wesentliche im Wort selber, nämlich die Beeinflussung. Ein Influencer beeinflusst das Image der Marke oder die Meinungsbildung Dritter im Kaufprozess. Entscheidend ist dafür seine hohe Glaubwürdigkeit und fachliche Expertise. Die Beeinflussung kann dabei online oder offline stattfinden. Die Reichweite ist für die Definition nicht immer das entscheidende Kriterium, da er sowohl Empfehlungen innerhalb eines kleinen Kreises wie der Familie als auch gegenüber einer großen Fangemeinde aussprechen kann.

 Bei dieser Definition sehe ich keine Abgrenzung zum Testimonial.

Eicher: Das Testimonial macht begehrlich aufgrund seiner Popularität. Es muss weder ein Experte noch glaubwürdig sein. Nehmen Sie die Zusammenarbeit von Verivox’ und Mario Barth: Welche Expertise hat er bei Preisvergleichen? Keine!

Thomas Koch: An diesen Ausführungen sehen wir, wie schwer eine Abgrenzung ist. Für die meisten sind die Begriffe Influencer und Testimonial deckungsgleich, so dass Influencer-Marketing alter Wein in neuen Schläuchen ist. Für Testimonials ist Öffentlichkeit im Sinne von Reichweite wichtig. Deswegen setzt man diese Kommunikation primär in den reichweitenstarken Medien TV und Print ein. Damit Werbung wirkt, muss sie aber glaubwürdig sein. Für die französische Thunfischmarke ‚Saupiquet’ hat der amerikanische Schauspieler Kevin Costner geworben. Die Spots für den Dosenthunfisch hat man in Italien gedreht. Ohne Zweifel hat Kevin Costner eine hohe Bekanntheit. Von Glaubwürdigkeit kann aber keine Rede sein, weil es keinen Markenbezug gibt. Dies ist ein typisches Beispiel für ein schlechtes Testimonial, weil man dem Schauspieler seinen Enthusiasmus nicht abnimmt.

Der Unterschied zwischen Influencern und Testimonials liegt in der höhern Glaubwürdigkeit und Passung zur Marke? Diese Merkmale sind beim Influencer ausgeprägter?

Influencer

David Eicher Copyright: Territory

Eicher: Das Beispiel von Thomas Koch legt das Defizit der Testimonials offen: Sie sind in der Regel keine Influencer. Bei einem Influencer kommen die Glaubwürdigkeit, der Themen-, Branchen und Markenfit sowie die Langfristigkeit zwingend hinzu. Die Passgenauigkeit ist zum Beispiel davon abhängig, wie lange sich der Influencer schon mit einem Thema beschäftigt und wie stark man ihn damit verbindet. Testis werden stärker kampagnenbezogen eingekauft.

Koch: Jeder Fachmann für Testimonial-Werbung wird bei diesen Ausführungen und allen Kriterien zustimmen. Ich sehe keinen Unterschied zwischen Influencern und Testimonials.

Eicher: Aber wer erwartet denn von einem Testimonial Branchenwissen? Ist ein Fußballstar, der für eine Biermarke wirbt, ein Experte dieses Getränkes? Wohl kaum. Sucht man ein Testimonial, schlägt die Bekanntheit den Themen- oder Branchenfit um Längen.

Koch: Aber auch viele Infuenzer haben keinen Themenbezug. Ein Influencer ist typischerweise eine Person, dessen Namen der Marketingleiter vorher noch nie gehört hat. Ich war anwesend, als ein großes Unternehmen mit einem der reichweitenstärksten Influencer vertragseinig geworden ist; keiner der Entscheider kannte vorher seinen Namen.

Eicher. Eben: ein Influencer muss nicht populär sein. Und wenn die Wahl, trotz fehlender Glaubwürdigkeit auf ihn fällt, ist das nicht sein Makel, sondern der des Marketingleiters. Ein Influencer verdient diese Bezeichnung nicht, wenn er bisher nichts mit dem Thema am Hut hatte und nun genau dafür die Werbetrommel rührt. Das gleiche gilt, wenn er zwei Wochen eine Marke hoch hält und danach für die Konkurrenz arbeitet. Hier sehen wir eine Fehlentwicklung, weil Entscheider Influencer primär nach Reichweite buchen. Ich plädiere für eine Umkehr dahingehend, dass die Reichweite nicht im Vordergrund steht. Ein gutes Beispiel hierfür sind Mikro-Influencer. Wir haben mit Karl-Heinz Garber gearbeitet; er ist Rentner und ein Do-it-Youself-Fachmann. Er schreibt einen kleinen Blog, den einige tausend Menschen lesen. Weil er Experte ist und eine treue Community besitzt, sind wir auf ihn aufmerksam geworden und ließen ihn er für uns neue Werkzeuge ausprobieren. Das war erfolgreich. Influencer, die nach Reichweite ausgewählt werden, präsentieren im Vergleich dazu Produkte nur oberflächlich. Qualitative Aspekte wie die Glaubwürdigkeit sind enorm wichtig. Reichweite wird überschätzt.

Koch: Sie beschreiben gerade den Unterschied zwischen guten und schlechten Influencern. 80 Prozent schneiden hier schlecht ab. Influencer, die über ihre Öffentlichkeit gesteuert werden, funktionieren nicht. Entscheider fokussieren auf die Reichweite, weil sie dieses Kriterium gelernt haben. Deswegen werden die Influencer auch danach bezahlt. Der Markt liefert, was gewünscht wird. Der gesamte Online-Bereich leidet unter falschen Kriterien. Wir messen Klicks und wissen nicht, was sie bedeuten. Sie können das auf Influencer übertragen: Nur weil jemand viele Follower hat, ist er relevant? Nein, ist er nicht. Nur selten sucht man nach einem Influencer, der glaubwürdig ist. Weil das zu wenig passiert, hagelt es so massiv Kritik. Was glauben Sie, wie oft ich über bestimmte Themen schreiben soll. Offensichtlich hält man mich für einen Influencer. Gehe ich darauf ein? Nein, nie. Warum? Weil mir meine Glaubwürdigkeit heilig ist.

Was wären denn die richtigen Parameter?

Eicher: Eine Kennzahl wie der TKP ist aus den oben genannten Gründen nicht sinnvoll. Viel eher sollte man über den Tausender-Gesprächs-Preis nachdenken, weil dort die Qualität der Kontakte im Fokus steht.

Koch: Noch besser wäre ein Conversion-Kriterium, weil man damit die Verhaltensänderung misst. Diese ist besonders dann schwer messbar, wenn für das Shampoo, das der Youtube-Star hoch hält, auch noch im TV geworben wird. Man kann hier die Wirkung kaum zuordnen.

Eicher: Das funktioniert schon: Man kann z. B. einzelne Nielsen-Gebiete als Testmärkte nehmen. Und vergleichen, wenn zusätzlich noch Werbung geschaltet wird. Im Übrigen dokumentieren Influencer im Rahmen unserer Projekte, mit wie vielen Leuten sie gesprochen haben. So lässt sich der Gesprächspreis ermitteln.

Koch: Kunden wollen seit Jahrzehnten wissen, welchen Einfluss die Kommunikation auf den Verkauf hat. Die Agenturen können nur zeigen, dass Werbung irgendwie wirkt. Genaues weiß man nicht. Dass Sie hier auf diese Forderungen eingehen, finde ich prima.

Eicher: Mir sagte ein Marketingleiter vor versammelter Mannschaft, dass ihn der Verkauf nicht interessiert; das sei Aufgabe des Vertriebs. Er will nur Reichweite. Ich hatte nach dieser Bemerkung Atemnot und war sprachlos.

Für welche Branchen lassen sich Influencer besonders gut einsetzen, für welche gilt das weniger?

Eicher: Aus meiner Sicht gibt es keine Branche, in der Influencer nicht helfen können. Die große Frage ist doch, ob man für jedes Produkt einen Youtuber braucht; das glaube ich nicht. Aber gerade im BtB-Bereich gibt es viele Fachleute mit Einfluss. Hier sind Micro-Influencer enorm wichtig.

Welchen Einfluss wird die Kennzeichnung von Werbung auf die Influencer haben?

Koch: Bezahlte Werbung muss als solche gekennzeichnet sein. Im Fernsehen und in  Print sehen Sie das jeden Tag. Im Netz ist diese Vorschrift nicht umgesetzt. Wegen der fehlenden Kennzeichnung gibt es auch bei Native-Advertising jetzt schon große Probleme. Natürlich muss ich beim Influencer sehen können, wenn er bezahlt für ein Produkt wirbt. Viele kennen dieses Gesetz nicht und auch die Agenturen drücken beide Augen zu. Das wird sich aber ändern. Welchen Wert hat ein Influencer dann noch? 80 Prozent werden verschwinden und der Markt ist dann bedeutungslos. Influencer-Marketing hat daher nie gelebt und ist jetzt schon tot. Dies gilt für fast alle neuen Buzzes. Ich verteufle damit keine Medien und auch keine Instrumente. Aber wir sollten sie so einsetzen, dass sie am besten wirken. Passiert das nicht, bleibt fast nichts übrig.

Marketer befürchten, dass die Influencer nicht auf die Marke sondern auf die Kategorie einzahlen, wenn sie die Influencer nicht richtig briefen können. Ist diese Sorge berechtigt?

Eicher: Bei Fujitsu arbeiten wir mit spezialisierten Tech-Bloggern. Wir rekrutieren keine große Anzahl, sondern die Richtigen. Sie erhalten Insights über das Unternehmen und die Produkte. Darüber schreiben sie natürlich und werden auch zu Markenbotschaftern. Durch die hohe Passung entfällt ein Briefing. Marketingleiter wollen natürlich am liebsten das Storyboard selber schreiben. Aber ein Influencer muss das Produkt mit bestimmten Freiheiten interpretieren können. Hier betreten viele Entscheider Neuland.

Warum brauchen Marken Influencer? Können Sie nicht alleine für sich reden? Bernd Krämer hat darauf in einem WuV-Online-Beitrag hingewiesen.

Eicher: Die Frage ist berechtigt. Aber Menschen vertrauen Menschen und eben nicht Unternehmen. Deswegen glaubt man der Empfehlung der eigenen Frau mehr als der Werbung. Dass man Influencer einsetzt, korrespondiert mit der sinkenden Glaubwürdigkeit der Marken.

Wie schwierig ist es, relevante Ergebnisse der Aktivitäten von Influencern zu messen?

Koch: Man kann heute alles messen. Daher muss ich mir vor dem Kampagnenstart  überlegen, welche Parameter es sein sollen. Das passiert nur in 20 Prozent aller Fälle.  Am besten suche ich mir Messkriterien, die den Umsatz beeinflussen. Das ist das wichtigste Kriterium für den Kunden. Nochmals zur Erinnerung: Impressions, Klicks und dergleichen sagen darüber nichts aus.

Herr Koch: Wenn IM in den nächsten Jahren massiv durch die Decke geht, woran hat es gelegen?

Koch: Dann haben sich die Guten durchgesetzt.

Herr Eicher: Wenn IM in den nächsten Jahren mausetot ist, woran hat es gelegen?

Eicher: Dann hat das Böse gesiegt.

Dieser Beitrag ist auch bei Lead Digital erschienen.This content is only available in German.