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Der Pitch ist für viele Unternehmen noch immer das geeignete Werkzeug, um eine Agentur zu finden. Dabei gilt dieses Auswahlverfahren vielen inzwischen als überholt, vor allem unter Agenturen. Wie ist Ihre Haltung dazu?

 Tim von der Decken Gerade bei großen Budgets ist der Pitch deswegen so wichtig, weil man damit am effizientesten den richtigen Agenturpartner findet. Nur so kann die kreative Leistungsfähigkeit der Agenturen transparent dargestellt und verglichen werden. Nicht der einzige, wenn auch ein wichtiger Baustein, ist die abschließende Präsentation. Dieser geht eine Suche voraus, in der man sich immer intensiver mit den Agenturen beschäftigt. Hier fordert man Unterlagen an, schaut auf die Referenzen und stellt zahlreiche Fragen.

Aber der Pitch ist im Rahmen des New Business eine Sondersituation. Um diese möglichst realistisch zu gestalten, gibt es den vorgeschalteten Prozess. Erst wenn man den Ablauf ganzheitlich betrachtet, kommt man zu stimmigen Ergebnissen. Auch wenn der Pitch sicherlich Nachteile hat, muss man immer überlegen, wie sinnvolle Alternativen aussehen könnten. Diese sind sicherlich nicht reich gesät.

Wolf Ingomar Faecks Alternativen gibt es mittlerweile durchaus. Diese sind allerdings arbeits- und zeitaufwendiger für die Kunden und entfernen sich von der derzeitigen Beschallungssituation eines Pitches. Progressive Kunden arbeiten mit Workshops, wo man versucht, die Arbeitsweise von wenigen Agenturen genau zu verstehen; auch die Menschen möchte man intensiv kennen lernen. Hier verlässt man das Labor und erzeugt eine operative Arbeitssituation mit umsetzbaren Ergebnissen.

New Business

Wolf Ingomar Feacks Copyright: SapientNitro

Bei den heute üblichen New Business Pitches werden noch immer die Häuptlinge eingeflogen, die ein Kunde später nie wieder zu Gesicht bekommt. Pitches fördern eine Bühnensituation, die Agenturen natürlich dann für eine entsprechende Darstellung nutzen. Solche künstlichen Situationen sind aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß. Statt Wegwerfbeziehungen sollten Partnerschaften aufgebaut werden. Stärker als die Showfähigkeit sollten sich Kunden dafür interessieren, wie Agenturen Probleme lösen. Pitches sind außerdem massiv geldverschwenderisch und damit ineffizient, weil nur ein Bruchteil der Ideen realisiert wird. Will man zu besseren Ergebnissen kommen, müssen sich Kunden stärker einbringen und mehr Zeit investieren.

Ist Pitchen im Rahmen des New Businessalso beliebt, weil das für Unternehmen mit weniger Arbeit verbunden ist, Herr von der Decken? Und warum lassen sich Agenturen darauf überhaupt ein, Herr Faecks?

Tim von der Decken Wenn man unter einem Pitch versteht, dass ich einfach 20 Agenturen anfrage und mir dann anschaue, was passiert, mag das so sein. Wenn ich aber einen Pitch ordentlich aufsetze, ihn als ein Element des gesamten Auswahlprozesses verstehe, dem andere Vorarbeiten (z.B. Request for Information) vorausgehen und mich mit den Agenturen intensiv beschäftige, kann davon keine Rede sein. Denken Sie an den Aufwand, wenn die Marketingkollegen die Agenturen der Shortlist vor Ort besuchen. Mit einem Pitch kann ich die Arbeiten der Agenturen transparent vergleichen. Dies ist sowohl für den Dienstleister aber auch für das ausschreibende Unternehmen enorm wichtig.

Wolf Ingomar Faecks New Business treibende Agenturen haben dafür sehr individuelle Gründe. Eine wichtige Ursache besteht sicherlich darin, dass wirtschaftliche Erwägungen sie zwingen, auch an zweifelhaften Pitches teilzunehmen. Das Motto heißt dann: Dabei sein ist alles. Bei einigen Agenturen fehlen zudem die professionellen Auswahlkriterien. Man nimmt auch dann an einem Pitch teil, der nur mangelhaft honoriert wird, wenn man damit die Chancen auf einen Award verbessert. Oder nehmen Sie eine Agentur, die schon langjährig für einen Kunden arbeitet. Auch wenn man weniger Geld verdient, verabschiedet man sich nicht so schnell aus einer solchen Beziehung. Andere Agenturen sehen einen Imagegewinn, für ausgewählte Kunden zu arbeiten, auch wenn geringe Tagessätze gezahlt werden.

Was fordern Sie?

 Wolf Ingomar Faecks Die Branche erreicht keine Augenhöhe, wenn man an problematischen Auswahlverfahren teilnimmt oder sich auf Kunden einlässt, die schlecht bezahlen. Wenn es immer wieder Agenturen gibt, die dazu bereit sind, werden wir nicht gleichberechtigt behandelt. Deshalb müssen auch schon die Auswahlprozesse vergütet werden. Hier kann ich nur an Agenturen appellieren, öfters Nein zu sagen. Wir müssen aufhören, nur einzuklagen, sondern auch aufrecht gehen. Agenturen müssen kritischer mit sich sein.

Tim von der Decken Das Honorar sollte nur eine Frage sein, ob man bei einem Pitch im Rahmen des New Business dabei ist. Wichtig ist außerdem, dass die Anzahl der teilnehmenden Agenturen basierend auf den vorausgehenden Schritten des Auswahlprozesses auf am besten drei begrenzt ist und dass das ausgelobte Budget auf Jahresbasis ausreichend hoch ist. Sind diese wichtigen Kriterien erfüllt, sollten Agenturen nicht für ihren Vertrieb bezahlt werden. Es ist im Übrigen nicht sinnvoll, kleinste Projekte pitchen zu lassen. Auf Dauer vergrault man sich so Agenturen, die aufgrund von betriebswirtschaftlichen Gründen daran nicht mehr teilnehmen.

Stimmen Sie der These zu, dass sich die Anzahl der Pitches erhöht hat? Darauf lässt die jüngste GWA-Studie schließen, die eine konfliktreichere Zusammenarbeit zwischen Kunden und Agenturen konstatiert.

Tim von der Decken Man muss sagen, dass die Anzahl der Pitches in den letzten Jahren wirklich zugenommen hat. Ein wichtiger Grund ist, dass der Einkauf stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden ist. Dies gilt heute stärker für Konzerne, setzt sich aber bei mittelständischen Unternehmen vermehrt durch.

Wolf Ingomar Faecks Wir stellen eindeutig fest, dass der Einkauf immer öfters im Lead ist. Hier sind mitunter Mitarbeiter am Werk, die Agenturen wie Schrauben einkaufen. Dadurch wird vom Procurement eine Todesspirale in Gang gesetzt. Denken Sie nur an die Mitarbeiter auf Agenturseite, deren Qualifikation genau deswegen immer weiter abnimmt. Der Einkauf will den möglichst billigsten Preis erzielen; Werte zu schaffen, hat nur eine geringe Bedeutung. Die Macht des Einkaufs geht hier in eine völlig falsche Richtung. Auf der anderen Seite müssen sich auch Agenturen bewegen und sich als strategische Sparringspartner etablieren. Dazu gehört der Aufbau von Beziehungen über das Marketing hinaus – bis hinauf in die Vorstandsetage.

Werden Agenturen zwischen Marketing und Einkauf zerrieben? Oder schweißt der Druck aus dem Einkauf Werber und Marketer nicht eher zusammen?

 Tim von der Decken Unser Verständnis ist, dass der Einkauf eine Dienstleistung ist, der den Auswahlprozess für Agenturen begleitet. Das Marketing trifft die Entscheidungen. Der Einkauf gibt Rahmenbedingungen einer Zusammenarbeitet vor. Aber das Marketing bestimmt, unter Kosten- und Qualitätsgesichtspunkten, mit welcher Agentur man einen Vertrag schließt.

Neukundengeschäft

Tim von der Decken Copyright: Efficio

Bei der Beschaffung aller Dienstleistungen gibt es den Wunsch nach Transparenz. Es soll eben keine Agentur geben, die bessere Chancen hat, weil sie besondere Kommunikationswege zum Marketingleiter aufgebaut hat. Dass der Einkauf im Lead ist, sehe ich zwar bei einigen Pitches; ansonsten kann davon keine Rede sein.

Wolf Ingomar Faecks Diese partnerschaftliche Beziehung sehe ich so überhaupt nicht. Dies liegt auch an der ganz unterschiedlichen Incentivierung von Marketing und Einkauf. Der Einkauf bekommt dann mehr Geld, wenn er die Kosten reduziert. Er wird nicht dafür bezahlt, die besten Ergebnisse für das Unternehmen zu erzielen. Die fehlende Zusammenarbeit sehen Sie, wenn sich die Marketingleute bei ihren Agenturen über die schlechte Situation und das hohe Misstrauen gegenüber dem Einkauf ausheulen. Agenturen als Spielball zu verwenden, ist nicht in Ordnung.

Fehlt es an Knowhow, Einfühlungsvermögen? Was sollte ein Einkäufer, der Agenturleistungen einkauft, genau darüber wissen?

 Tim von der Decken Lange Jahre hat der Marketingleiter selbst eingekauft. Diese Verantwortlichkeit musste er nun an Kollegen abgeben. Dass man damit nicht zufrieden ist, kann ich verstehen. Um solche Verwerfungen zu verhindern, müssen Marketing und Einkauf von vornherein partnerschaftlich arbeiten. Jeder Einkäufer sollte sich intensiv mit dem Markt beschäftigen und wissen, wie Agenturen funktionieren. Nur dann kann man mit den Kollegen vom Marketing gleichberechtigt sprechen. Gerade bei Unternehmen, wo ein Einkäufer aufgrund des geringen Marketingvolumens auch andere Leistungen einkauft, gibt es sicherlich einen Verbesserungsbedarf. Hier wissen die Kollegen häufig zu wenig.

Wolf Ingomar Faecks Tatsächlich ist auch unsere Beobachtung, dass es im Einkaufsbereich Wissenslücken gibt. Agenturleistungen einzukaufen unterscheidet sich nun mal vom klassischen Procurement. Dabei muss aber auch klar sein, dass die Entscheidung über die geeignete Agentur letztlich beim Management oder Marketing liegt. Das ist eine Businessentscheidung; nicht alles folgt hier der Logik von Kosteneinsparungen. Weiterbildungsangebote gibt es, u.a. eine von GWA und Bundesverband Materialwirtschaft und Einkauf veranstaltete Konferenz. Das Problem liegt letztlich jedoch mehr im Prozess und der Zusammenarbeit von Einkauf und Marketing, die bei den meisten Unternehmen nicht zielgerichtet funktioniert.

Gibt es für ein besseres Miteinander zwischen Agenturen, Marketing und Einkauf überhaupt eine Lösung? Was schlagen Sie vor?

Wolf Ingomar Faecks Ein wichtiger New Business Ansatz wäre aus meiner Sicht, dass alle Beteiligten mehr als heute das Gesamtsystem in den Blick nehmen und nicht an der Optimierung eigener Zielsysteme arbeiten. Ein Einkauf, der nur auf Einsparungen schaut, gerät mit Fachabteilung und Agentur gleichermaßen aneinander und hilft niemandem außer sich selbst. Eine Agentur, die etwa Kundenbedürfnisse nach professionellen Prozessen ignoriert und nur das kreative Produkt im Blick hat, bringt Marketing und Einkauf gegen sich auf. Wenn alle auf gemeinsame Ziele eingeschworen werden könnten, wären wir viel weiter.

Tim von der Decken Die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches New Business ist, dass von drei Akteuren Marketing, Einkauf und Agenturen die beiden erstgenannten gut zusammenarbeiten. Die dazu notwendigen Rahmenbedingungen und Spielregeln müssen klar festgelegt werden. Die wichtigste ist, dass der Einkauf der Dienstleier und Unterstützer des Marketings ist. Das Procurement soll eben gerade nicht Polizei spielen oder die Befugnisse der Marketingkollegen beschneiden. Vielmehr soll sich das Marketing auf die Themen konzentrieren können, die es besonders gut beherrscht. Entlastet werden die Mitarbeiter vom Einkauf, der wiederum seine Stärken einbringt. Natürlich entscheidet das Marketing letztendlich, mit welcher Agentur es zusammen arbeiten will. Wenn Marketing und Einkauf gut zusammen arbeiten und ihr Verhältnis ausbalanciert ist, können auch die Agenturen problemlos integriert werden.

Dieser Beitrag ist auch bei Werben und Verkaufen erschienen.