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Digitalisiierung

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Dieser Artikel soll sich mit dem Thema Digitalisierung kritisch auseinandersetzen. Kein Problem, da die gesamte digitale Kommunikation zweifellos auf der einen Seite ein hohes Potenzial hat, was sich über das „Internet der Dinge“ noch weiter potenzieren wird. Auf der anderen Seite werden aber die Barrieren in vielen Fällen nicht ausreichend beachtet. Dies passiert bei gehypten Themen immer, wenn man die Voraussetzungen für erfolgreiche Projekte nicht berücksichtigt und ihnen nicht gerecht wird.

Diese grundlegenden Bedingungen lassen sich aus meiner Sicht in zwei Bereiche untergliedern: Auf der einen Seite geht es um Gründe, die eng mit dem spezifischen Themen wie Big Data, CRM, mobiles Marketing usw. verknüpft sind und deswegen besonderer Natur sind. Hier kann man an die Datensilos denken, die immer noch starr nebeneinander bestehen. Eigentlich müssen diese aber für erfolgreiche CRM- oder noch weitergehende Big Data-Projekte zusammengeführt sein. Das zweite große Gründebündel, weswegen die Potenziale der Digitalisierung nicht funktioniert oder nicht so gut funktioniert, sind aber allgemeiner Natur: Sie liegen im mangelnden Verständnis des digitalen Themas allgemein begründet; es ist die Unfähigkeit und Unwilligkeit sich hier einzudenken. Ich werde im ersten Teil dieses Artikels sogleich auf diesen Bereich eingehen und mich erst im zweiten mit den speziellen Gründen beschäftigen.

Digitalisierung ist nichts für Weicheier

Und es ist ein kompliziertes Thema. Aber, hey sowohl die Agenturleute als auch die Fachkräfte der Marketingseite sind ja Profis. Alle diese Kommunikationsspezialisten wissen natürlich, wie digitale Kommunikation funktioniert. Sie wissen natürlich auch, was sie tun. Digitale Natives mögen sich hier in Detailfragen noch besser auskennen, aber jeder seniorige Agenturmensch, jeder Kommunikations- und Marketingleiter ist grundsätzlich im Thema. Ein gestandener Geschäftsführer einer Agentur sagt Ihnen: „Wer sich heute mit den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und Markenführung nicht auskennt, kann seine Kunden nicht adäquat betreuen; Sie sehen ja, wie viele zufriedene Kunden wir haben.“ Auch die Marketingleiter sind natürlich auch in digitalen Fragen State-of-the-Art. Also, alles easy. Eigentlich ist dieser Artikel hiermit schon beendet, alle wissen Bescheid. Alles gesagt. Aber leider nur, wenn man sich mit dem ersten Blick und Phrasen zufrieden gibt.

Organisatorischen Fragezeichen

Natürlich ist es nicht so einfach. Natürlich stimmen oft Eigen- und Fremdbild nicht überein. Beginnen wir mit einem Beispiel, das auf den ersten Blick extrem klingt; man findet es aber öfters: Da gibt es die Agenturgeschäftsführer, die in der klassischen Welt groß geworden sind. Sie wünschen sich nichts sehnlicher als ein Comeback der guten alten, überschaubaren Rahmenbedingungen mit den langsamen Entwicklungen. Sie sehen natürlich die Veränderungen und den Wandel, den die digitale Entwicklung auslöst; sie stehen aber staunend, ehrfurchtsvoll und passiv davor. Das wirkliche Verständnis fehlt. Der Geschäftsführer einer Agentur sagte mir dazu: „Was sich im digitalen Bereich tut, ist schon faszinierend; deswegen möchte ich es auch meinen Kunden gerne anbieten. Aber am allerliebsten hätte ich eine Lösung, wo ein junger Kollege, der in dieser Welt lebt und groß geworden ist, das für uns und unsere Kunden übernimmt. Diese Aufgabe möchte ihm und gerne auch einem kleinen Team selbst überlassen. Ich selber möchte damit am liebsten gar nichts zu tun haben! So richtig reindenken möchte ich mich diese Welt nicht.“

Unabhängig davon, dass eine solche Lösung mit erheblichen organisatorischen Fragezeichen versehen ist, ist die Einstellung aus meiner Sicht schwer nachvollziehbar: Dass man sich nicht mehr in jedes neue Thema intensiv vertiefen und es verstehen muss, ist mehr als menschlich. Man kann, will und soll nicht für alles ein Spezialist sein. Auch sagen zu können, wo man keine Kernkompetenz hat, ist nur ehrlich. Aber noch nicht einmal den Willen zu haben, sich mit grundlegend neuen Themen zu beschäftigen, halte ich nicht für akzeptabel. Jeder Arzt und Anwalt verliert mit einer solchen Einstellung instantan seine Arbeitsberechtigung. Die eben genannte Einstellung wird zwar nur von einer Minderheit auch auf Kundenseite geteilt: Sie ist allerdings mehr als ein Kuriosum. Und natürlich findet man sie nicht nur bei Agenturen. Auch bei Kunden gibt es Marketingleiter, die genauso denken und handeln. Wenn sich beide finden, verstehen sie sich gut. Wenn es beiden auch noch wirtschaftlich gut geht, ist dies noch besser. Wie lang dies so bleibt, ist eine andere Frage.

Am liebsten analoge Welt und nur keine Digitalisierung

Noch ein zweites Beispiel, das diesen Grundgedanken aufgreift und weiterführt: In einem Workshop zum strategischen New Business Fragen habe ich mich mit einem Geschäftsführer einer Agentur unterhalten. Seine Agentur hatte vor einigen Jahren noch 30 Mitarbeiter; mittlerweile hat sie sich deutlich verkleinert. Als eines der ersten Themen stand die Positionierung der Agentur auf der Agenda. Sie stellte sich nicht wirklich stringent und abgeschlossen dar. Besonders auffällig war, dass der analoge und der digitale Leistungsbereich nicht wirklich passten. „Wir“, so erzählte der Geschäftsführer, „kommen eigentlich aus der analogen Kommunikation. Hier und besonders im Printbereich kennen wir uns richtig gut aus. Wir merken nur, dass Kunden immer mehr im digitalen Bereich beraten werden wollen; dort benötigen sie Einschätzungen und Einordnungen. Während wir im analogen Bereich vollständig abdecken, bieten wir im digitalen eine Basisberatung an.“ Was dies genau ist und wie man sie abgrenzt, war nicht mehr eindeutig darzustellen. Der Geschäftsführer dazu weiter: „Unser Problem besteht darin, dass man heute als Agentur auch im digitalen Bereich vorhanden und positioniert sein muss. Ansonsten sinken die Chancen, gerade mit neuen Kunden ins Geschäft zu kommen. Wir haben es bisher aber nicht geschafft, hier inhouse eine Expertise aufzubauen und zu integrieren. Am Ende des Tages passten die Leute nicht zu uns. Grundsätzlich sind wir für diese Mitarbeiter keine erste Adresse. Ich persönlich will mich mit der Digitalisierung zwar beschäftigen, aber auch nicht zu intensiv.“ Wir mussten an dieser Stelle gar nicht mehr abschließend klären, was eine „Basisberatung“ genau heißen kann und was sie inhaltlich umfasst. Wir haben uns vielmehr auf die Empfehlung verständigt, dass der Geschäftsführer sich einen Pool von externen Spezialisten aus dem digitalen Bereich aufbaut. So kann er ein Verständnis aufbauen und sein Wissen aktualisieren. Auch hier das Zwischenfazit: Die Digitalisierung hat eine weiter steigende Bedeutung, aber wie man ihn für sein Geschäft nutzt und integriert, ist eine schwierige Aufgabe. Einige haben sich daran die Finger verbrannt und deswegen denken diese Entscheider darüber nach, sich aus dem digitalen Bereich komplett zurückzuziehen.

Noch ein abschließendes Beispiel, das dieses Thema schlaglichtartig illustriert: Über die Messe dmexco kann man unterschiedlicher Meinung sein. Es gibt auch viele Gründe, warum man dort nicht jedes Jahr aufkreuzt und warum man sich vielleicht sogar mehrere Jahre dort nicht blicken lässt. Gerade wenn die Anfahrt ein wenig zeitintensiver ist, können hier unterschiedliche Gründe zusammenkommen. Sowohl als Marketer aber auch als seniorer Agenturmensch muss man wissen, was sich hinter dieser Veranstaltung verbirgt. Tatsächlich gab es auch Ende des Jahres 2014 Agenturgeschäftsführer, die genau dies nicht sagen konnten; augenscheinlich hatten sie von dieser Veranstaltung noch nie gehört.

Dieser Beitrag ist auch bei marketingfish erschienen.