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Digitalisierung

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In diesem letzten Teil der kleinen Serie über Digitalisierung werden wir also nun von der allgemeinen Ebene in die spezielle Themenebene wie Big Data, CRM, Social-Media usw. zoomen. Starten wir wieder mit einem Bereich der für Big Data oder auch den massiven Vorgängerhype CRM geradezu maßgeschneidert ist: Ich rede von der Kundenbindung.

Immer noch gilt die bekannte Weisheit, dass es günstiger ist, den Umsatz bzw. den Gewinn mit einem bestehenden Kunden auszuweiten, als einen neuen Kunden gewinnen zu müssen. Diese Einschätzung wird sowohl von Praktikern als auch durch zahlreiche Studien immer wieder bestätigt. Zumindest theoretisch sind gerade die Möglichkeiten, die die gesamte digitale Industrie heute für die Kundenbindung bietet, massiv gewachsen; speziell Big Data schreit geradezu danach, hier effektiv helfen zu können und schnell Potenziale zu erschließen. Schaut man sich diese Frage danach an, wie mit diesem Thema in der Praxis wirklich umgegangen wird, kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis. Worte und Taten liegen massiv weit auseinander. Dies fängt schon bei den Gratifikationssystemen, nach denen Mitarbeiter vergütet werden an: Die Verantwortlichen gerade aus dem BtC-Marketing werden heute in der großen Mehrzahl nicht danach bezahlt, wie sie das Geschäft mit bestehenden Kunden ausbauen. Auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen, kann ein Manager heute sehr viel schneller Aufsteigen, wenn er als Markenverantwortlicher den Umsatz seiner Marke kurzfristig ausweitet. Das geht aber besser über kurzfristig greifende Verkaufsförderungsaktionen. Nutzt er oder sie solche promotionalen Maßnahmen, so folgt der nächste Karriereschritt mit einer sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit. Deswegen stehen vielfach solche Maßnahmen viel eher im Fokus und werden auch entsprechend genutzt. Ein Grund, warum die digitalen Instrumente Data nicht optimal eingesetzt wird, liegt also auf dieser sehr abstrakten Organisationsebene.

Daran scheitert Big Data und Co.

Den nächsten Grund ist ebenfalls ein eher abstrakter, aber aus meiner Sicht noch weniger nachvollziehbar: Erstaunlicherweise gibt es immer noch Branchen, wo auch die großen Anbieter nichts oder so gut wie gar nichts über ihre bestehenden Kunden wissen; sie streben dies noch nicht einmal an! Dies gilt, mein Erstaunen steigt weiter, auch für Branchen, wo Wettbewerber die digitalen Möglichkeiten zur Kundenbindung stark einsetzen und damit nachweißlich erfolgreich sind; sie bauen damit

Marktanteile weiter aus. Beispiel gefällig? Ich bin mir als Stammkunde des Buchhändlers Hugendubel sicher, dass man sich für mein Kaufverhalten und auch das der Kunden, die dort wirkliche Heavy User sind, überhaupt nicht interessiert. Ich habe nie auch nur einen Hinweis oder einen Impuls erhalten, aus dem hervorgeht, dass das Geschäft mit mir ausbauen möchte. Mit den Verantwortlichen aus dem Marketing kommt man hierüber ebenfalls nicht ins Gespräch; ich habe genau dies erfahren müssen. Wie aktiv hier auf der anderen Seite Amazon ist, muss man nicht beschreiben. Der erfolgreiche Einsatz der digitalen Klaviatur beginnt also nicht bei technischen Fragen. Es beginnt in den Köpfen der Menschen, die an den dahinterstehenden Lösungen immer noch kein Interesse haben. Es beginnt auch bei den Strukturen von Unternehmen, die zwar vorgeben, dass Themen wie die Digitalisierung im Allgemeinen und die Kundenbindung bzw. Big Data wichtig sind, im täglichen Geschäft und im praktischen Doing verhält man sich aber ganz anders. Auf dieser Ebene, auf die viel zu wenig fokussiert wird, muss also sinnvollerweise ansetzen.

Kundenbindung ja, Umsetzung nein

Hier passt auch eine Untersuchung, die die Agentur Department One aus Berlin zum Thema Kundenbindung durchgeführt hat. Diese Studie, die Mitte 2014 abgeschlossen wurde, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Effekte und der Nutzen von Kundenbindungsmaßnahmen zur Erreichung von Entscheidern zwar erkannt werden. Aber deren Umsetzung scheitert in der Praxis sowohl an fehlenden Ressourcen und als auch an unzureichendem Know-how. Die Entscheider geben außerdem auf der einen Seite an, dass die Nutzung aller verfügbaren Kundendaten den Erfolg von Kundenbindung stark steigert. Auf der anderen Seite heben aber nur 4% diesen „Datenschatz“ auch. Datenanalyse und personalisierte Ansprache der Kunden werden auf der einen Seite immer wichtiger. Es mangelt aber an einen entsprechend konsequenten Umsetzung. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich, zeichnen aber das eben schon skizzierte Bild weiter: Zum einen hat man es mit unklaren Zuständigkeiten in den Unternehmen zu tun. Wer soll die Datenanalyse überhaupt vornehmen? Will man dies intern lösen oder gibt man einen so wichtigen Schatz wie seine eigenen Daten an einen spezialisierten Drittanbieter? Wenn man sich für die letzte Variante entscheidet, wir findet man diesen? Das zweite Feld betrifft die Daten als solche: Hat man überhaupt schon ausreichend Daten über eine Kunden gesammelt und wie tut man dies auch datenschutzrechtlich sauber und einwandfrei? Auf welche Quellen kann man überhaupt zugreifen und wie kann man sie zusammenbringen? Diese Frage ist nicht wirklich neu: Schon beim guten alten CRM-Fragen, stand man vor der Herausforderung Daten aus unterschiedlichen Systemen zusammenzubringen und nun auf einer Oberfläche zu bearbeiten. An genau dieser Frage sind viele CRM-Projekte gescheitert und Big Data muss auch hier die alte Frage neu und besser beantworten. Ist dies getan, muss man wiederum überlegen, wie man nun in Echtzeit die Bearbeitung und Auswertung durchführt. Ich gebe zu, dass all diese Fragen sehr bodenständig sind und wenig mit den Visionen der Digitalisierung zu tun haben. Auf der anderen Seite ist auch klar, dass sich hier entscheidet, ob die Digitalisierung überhaupt erfolgreich in ein Unternehmen implementiert wird. Es macht keinen Sinn, die große weite Welt aufzuzeigen, wenn man es schon nicht einmal schafft, die Haustür zu verlassen und die kleine Straße zum Autobahnzubringer zu erreichen. Eins ist aber auch eindeutig: Schöpft man die Potenziale der digitalen Welt nicht ausreichend aus, werden dies die Wettbewerber tun, die Kunden erzwingen oder mit der Tastatur abstimmen.

Dieser Artikel ist auch bei marketingfish erschienen.