Noch vor einigen Jahren hatte das Marketing mit Markenhandbüchern eine Menge Arbeit. Dort wurde für fast alle nur denkbaren Möglichkeiten aufgeführt, wie eine Marke wo visuell erscheinen sollte. Für größere Marken kamen so mehrere Ordner zusammen. Dies ist heute natürlich nicht mehr möglich, weil die Anzahl der Touchpoints sich massiv vergrößert hat und weiter vergrößert. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass es einen Touchpoint mit einer so kleinen Fläche wie der der I-Watch geben wird?
Wie werden aber solche Corporate-Design-Aufgaben heute gelöst? Darüber habe ich mit Norbert Gabrysch gesprochen, Kommunikationsdesigner, Mitgründer und CEO der Marken- und Designagentur Wirdesign aus Berlin und Braunschweig. Er sagt dazu: „Es kann heute nicht mehr darum gehen, einzelne Medien zu vermassen. Man muss sich darauf konzentrieren, die wesentlichen Elemente einer Marke, egal ob diese groß oder klein ist, darzustellen. Für jede Brand gibt es eben einige bestimmende Kernelemente. Bei Milka ist es die Farbe, bei Ritter Sport die quadratische Form und bei der Telekom Magenta. Die Konzentration auf nur wenige Designelemente, die dennoch stilprägend sind, macht überhaupt erst eine auch visuell konsistente Kommunikation der Marke über alle Kanäle möglich. So abgegriffen der Satz auch ist: hier ist weniger absolut mehr. Diese Herausforderung muss ein modernes Corporate-Design-System bewältigen.“
In den letzten Jahren kann man eine gewisse Demokratisierung der Markenführung durch die Konsumenten beobachten. Ich wollte gerne wissen, welche Auswirkungen dies speziell auf das Corporate Design hat? Mein Gesprächspartner sagt dazu: „Bei aller Demokratisierung muss man natürlich darauf achten, dass das Markenbild eindeutig erhalten bleibt. Die Demokratisierung kann und darf daher nicht alle Bereiche der Marke betreffen. Wie der visuelle und der inhaltliche Markenkern erscheinen, muss natürlich das Unternehmen bestimmen. Diese klare Visualisierung wird auch benötigt, damit sich die Konsumenten unter der Marke versammeln können. Wird die Marke durch die Kunden umgestaltet bzw. ist sie nicht mehr einheitlich, so kann sie dies nicht mehr leisten. Im Interesse der Demokratie hat die Demokratisierung Grenzen. Design ist eben keine demokratische Veranstaltung.“
Marke und Corporate Design today: So minimal wie möglich
Auf Corporate Design greifen heute aber auch Mitarbeiter zu, wenn zum Beispiel der Außendienst oder Franchisepartner Broschüren oder Plakate drucken dürfen, die individualisiert sind. Was heißt das für das Corporate Design? Norbert Gabrysch kommentiert: „Diese Möglichkeiten müssen natürlich bedacht werden. Normalerweise treten hier aber keine Probleme auf, da diese Mitarbeiter online auf Templates zugreifen können. Hier ist festgelegt, was sie ändern dürfen und wo sie Grenzen zu beachten haben.“
Bleibt zum Abschluss noch die grundsätzliche Frage zu klären, was Corporate Design heute leisten muss: „Corporate Design muss heute so minimal wie möglich arbeiten. Es muss reduziert sein. Gleichzeitig muss es aber eine hohe Flexibilität haben, um sich neuen Anforderungen anpassen zu können. Ein fokussierter visueller Markenkern ist heute notwendiger denn je. Corporate-Design-Systeme der Zukunft schaffen den Spagat zwischen Konsistenz und Minimalismus. Sie sind elastisch!“
Dieser Beitrag ist auch bei acquisa erschienen.This content is only available in German.