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Copyright: Tim Alexander

Auf die Herausforderungen im Multi-Channel-Vertrieb für Marken haben wir im Rahmen dieser Veröffentlichungen schon hingewiesen. Auf der einen Seite wollen viele Unternehmen ihre Produkte und Leistungen deutlich stärker online verkaufen.

Diese Unternehmen kommen zum Beispiel aus der Finanzbranche, dem Consumer-Electronic-Bereich oder der Telekommunikation, wo die Vertriebskosten meist geringer sind als in anderen Bereichen. Auf der anderen Seite haben diese Unternehmen für ihre marken oft auch ein eher teures Filialnetz.

Man traut diesem schon bestehenden Vertriebsweg der Marken eine stärkere Beratungskompetenz zu, allerdings muss er auch ausgelastet werden, um sinnvoll zu sein. Von Kunden werden mittlerweile alle Vertriebwege gewünscht. Unternehmen müssen also nicht nur dafür sorgen, dass alle Vertriebswege angeboten werden, sondern sie müssen auch gewährleisten, dass die Produkte und Leistungen in allen Kanälen zum gleichen Preis verfügbar sind. Für viele Unternehmen bestehen hier Zielkonflikte: Die Vertriebswege sind einfach unterschiedlich teuer. Darüber habe ich mit Tim Alexander gesprochen, der Leiter Marketing & Kommunikation bei der Swisscom (Schweiz) AG ist. Er sagt: „Das Problem der Unternehmen, die an dieser Stelle Zielkonflikte sehen, besteht darin, dass sie ihre Kosten nicht ganzheitlich aus der Kundensicht betrachten. Stattdessen findet man immer noch Insellösungen, die die Kosten nach den Kontaktpunkten gliedern. Wir gehen bei Swisscom einen anderen Weg: Wir schauen uns den gesamten Kaufprozess eines Kunden an und unterscheiden nicht mehr, ob die entsprechenden Kosten in einem stationären Shop oder online angefallen sind. Wir addieren diese zu den „Gesamtkosten pro Kunde“ und sehen so, wie teuer ein Kunde gesamtheitlich ist. Auch aus Verbrauchersicht hat es ja keine Relevanz mehr, ob ein Kontakt oder ein Kauf online oder offline stattgefunden hat. Genau deswegen unterschieden wir hier auch nicht mehr. Denkt man in Inseln, so wird die Filiale immer teurer sein. Im Moment hat sie aber noch eine bedeutende Funktion beim Abverkauf der Produkte.“

Stationärer Handel neu gedacht

Da wir gerade beim Thema Retailstrategien von Marken sind, wollte ich natürlich von Tim Alexander wissen, wie sich der stationäre Handel seiner Einschätzung nach entwickeln wird. „Ich kann hier natürlich nur für die Telekommunikationsbranche sprechen“, erklärt er, „aber aus meiner Sicht wird im zukünftigen stationären Handel das Verkaufen nicht mehr im Fokus stehen. Vielmehr werden wir den Kunden einen Platz zur Verfügung stellen, an dem sie sich austauschen können, an dem sie sich über die neuesten Produkte und Services informieren können. Wir sind natürlich als Marke präsent, aber unser Personal wird weniger verkaufen, sondern eher durch besonderes Wissen und Leidenschaft überzeugen. Um ein Produkt zu erwerben, wird ein Kunde keinen Verkäufer mehr benötigen. Er kann dazu, und dies gilt bereits heute, einfach den Barcode fotografieren und der Betrag erscheint auf seiner Rechnung. Dazu muss er nur sein Handy mit unserer App ausstatten. Schon heute kann es für uns nicht mehr darum gehen, einem Kunden eine weitere SIM-Karte zu verkaufen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Anteil unserer Marken im Geldbeutel unserer Kunden größer wird. Das erreicht man aber nicht mehr mit den bisherigen Retailansätzen. Es macht viel mehr Sinn, sich den eigenen Kunden zu öffnen und den Communitygedanken als Treffpunkt für Kommunikation und Technologie weiterzuentwickeln.“

Die Markem werden wichtiger

Zum Ende unseres Gesprächs wollte ich noch mehr darüber erfahren, wie sich aus Sicht von Tim Alexander der Begriff der Marke verändert hat. Seine Einschätzung: „Die Marke ist für mich immer noch wesentlich und wird in Zukunft noch einen Bedeutungszuwachs erhalten. Nur mit der Marke kann man im dynamisch digitalen Umfeld einen Fixpunkt bieten und sich von anderen differenzieren. Wie man heute aber mit einer Marke umgeht, das hat sich verändert. Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts war sie klar definiert und dies hat man vorwiegend über gestalterische Elemente erreicht. Damit meine ich das Logo und das gesamte Corporate Design. Wenn Sie mit solchen Vorgaben heute im Internet unterwegs sind, nützt Ihnen das wenig. Spätestens wenn man in Echtzeit in einer dialogischen Auseinandersetzung mit den Kunden reagieren muss, hat man hier ein Problem. Daher muss die Marke zwar in ihrem Kernnutzen und den Kernwerten klar definiert sein – sie brauchen aber auch eine gewisse Flexibilität in der Umsetzung. Wir wollen zum Beispiel bald in Echtzeit in unserem Newsroom mit unseren Kunden interagieren. Wenn man hier alles vorgibt, kann so etwas nicht funktionieren. Deswegen müssen die Mitarbeiter die Marke verstanden haben: Sie müssen wissen, für welche Inhalte und welche Werte sie steht. Wenn dies klar ist, kann sie auch in Randbereichen interpretiert werden.“ Meinen Einwand, dass man dabei natürlich auch mehr Fehler machen könne als in einer Organisation, die eher hierarchisch gegliedert ist, bestätigt Tim Alexander: „Veränderte Formen der Markenführung haben auch eine höhere Fehlertoleranz zur Folge. Das ist wohl so und müssen wir akzeptieren.“

Die neuen Regeln zu ignorieren wird teurer

Es kann gut sein, dass dies das Marketing der Zukunft ist. Schließlich gibt es viele erfolgreiche Marken, die aus dem digitalen Raum kommen und sich so verhalten, wie wir es eben beschrieben haben. Mittlerweile gehören sie zu den wichtigsten Unternehmen überhaupt. Erstaunlich ist aber auf der anderen Seite, dass es immer noch Unternehmen gibt, die aus der alten Welt kommen und sich hier in keiner Weise flexibel zeigen. Sie verhalten sich immer noch so, wie sie es von jeher getan haben. Und das Merkwürdige ist: Sie sind trotzdem erfolgreich. Woran liegt das? Auch diese Frage habe ich Tim Alexander gestellt. „Auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass sich die Zeiten geändert haben, ist dies sicherlich noch nicht immer und überall tatsächlich zu spüren“, sagt er. „Es gibt ohne Zweifel noch Branchen und Unternehmen, die sich nicht den neuen Spielregeln unterwerfen und zum Beispiel dem Dialog mit Kunden eine geringere Bedeutung beimessen – erfolgreich sind sie trotzdem. Die Anzahl der Branchen und Unternehmen aber, die es sich leisten können, die neue Welt zu ignorieren, wird kleiner. Außerdem ist auch klar, dass ein solcher Veränderungsprozess in einem Unternehmen immer nur von oben nach unten angestoßen und umgesetzt werden kann. Wenn dies nicht passiert, wird sich nichts ändern. Es braucht also meist eine neue Persönlichkeit, die den Änderungsprozess in Gang bringt und Marketing zukunftssicher macht.“This content is only available in German.