Neuromarketing hatte immer noch eine gewisse Popularität. Nach der Aussage entsprechender „Fachleute“ hat es sich mittlerweile fest in der Marketingwelt etabliert. Aber was ist wirklich dran am Neuromarketing-Hype? Was sind die wesentlichen Aussagen? Und: Stimmen diese?
Als erste große Erkenntnis soll uns verkauft werden, dass wir den größten Teil unserer Entscheidungen unbewusst treffen. Ist dies wirklich neu? Beobachtet man sich selbst, so wird die Banalität dieser Aussage schnell klar. Oder möchten Sie sich etwa aktiv darum kümmern, welche und wie viele Blutzellen sich gerade durch ihren Körper bewegen? Ich begrüße es außerordentlich, dass ich mich nicht bewusst mit den Einzelheiten meiner Verdauung beschäftigen muss. Es ist ausreichend, wenn mein Körper mich an die Notwendigkeit erinnert, festen oder flüssigen Nachschub zu liefern oder diesen zu entsorgen. Alles, was zwischen Nahrung rein und raus passiert, überlasse ich liebend gerne meinem Unbewussten. Auch was mein Atmen angeht, kann dies mein Stammhirn perfekt. Dies geht viel besser, als wenn ich hier aktiv einschreite. Gleiches gilt auch für die meisten Bewegungsabläufe, die ich mittlerweile verinnerlicht habe. Ich gehe, laufe, fahre Rad und Auto, ganz ohne aktiv zu denken.
Fassen Sie alle diese unbewusst ablaufenden Entscheidungen zusammen, so kommen Sie schnell auf einen hohen Prozentsatz. Übrig bleibt nicht viel. Aber genau das hat es in sich. Es ist genau der wichtige Teil, der uns als Menschen auszeichnet und uns von anderen Säugetieren unterscheidet.
Mehr Labor geht nicht
Von den Vertretern des Neuromarketings werden Aufnahmen gezeigt, die man mittels Computer-Tomographen fabriziert hat. Wenn man Menschen Stimuli zeigt, dann werden Hirnregionen aktiviert. Sehen die Versuchsteilnehmer ein Rabattzeichen, so leuchtet aus Sicht der „Hirnforscher“ das „Belohnungszentrum“. Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass das Betrachten eines Symbols in einem CT eine besonders krasse Laborsituation ist. Kann ich diese einfach auf das wirkliche Leben übertragen? Neuromarketer sagen Ja. Eine, wie ich finde, gewagte These. Aber es wird noch schlimmer: CTs haben eine gewisse Trägheit. Sie benötigen einige Sekunden, um ein Bild auszuspucken. Man kann deswegen immer nur einen Stimulus zeigen; die Versuchsperson muss sich ebenso lange darauf konzentrieren. Geht es noch lebensferner? Die „Hirnexperten“ zeigen uns auch jeweils ihre Ergebnisse nur vor und nach der Präsentation des Stimulus. Wir sehen also nur das Leuchten einer Hirnregion danach und ein dunkles Areal vor der Messung. Die Welt ist aber mehr als nur schwarz oder weiß. Sie ist nicht nur voller Grautöne, sondern auch farbig. Aber dies wird überhaupt nicht betrachtet und vollkommen ignoriert. Da sind wir auch schon beim grundsätzlichen Problem des Neuromarketings: Die Arbeit unseres Denkorgans wird viel zu vereinfacht dargestellt. Dabei fehlen die unterschiedlichen Feedbackschleifen, dies gilt auch für alle Bestandteile, die einen Prozess verlangsamen oder ihn beschleunigen. Die Welt der „Neuroexperten“ ist so einfach, aber das Hirn arbeitet leider (oder zum Glück) sehr viel komplizierter.
Ehre wem Ehre gebührt
An dieser Stelle soll aber Ehre gebühren, wer dies verdient. Damit meine ich den Vordenker des Neuromarketings in Deutschland Hans-Georg Häusel. Ich stimme natürlich mit seinen Thesen, das sollte klar geworden sein, überhaupt nicht überein. Aber er hat dem Thema in Deutschland Größe gegeben. Wie er dabei vorgegangen ist, finde ich höchst respektabel. Viele Werbeleute können davon lernen, wie Häusel die Marke Neuromarketing in Deutschland dauerhaft ins Rampenlicht geschoben hat. Respekt.
Dieser beitrag ist auch bei Marconomy erschienen.This content is only available in German?