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New Business

Wolf Ingomar Faecks_CEO_SapientRazorfish

Der Einkauf hat in den letzten Jahren eine immer höhere Bedeutung beim New Business erhalten; dies gilt sowohl für die Auswahl der Agenturen aber auch hinsichtlich der Vertragsgestaltung. Grund genug Entscheider von Einkaufs- und Agenturseite an einen Tisch zu bringen, um über diese Entwicklung im Detail zu sprechen. Teilnehmer ist Tim von der Decken, der als Vice President von Efficio in Düsseldorf und London arbeitet. Das Unternehmen baut Einkaufsabteilungen auf und verbessert deren Arbeit. Als Vertreter der Agenturen nimmt an dieser Kontroverse Wolf Ingomar Faecks teil, der Geschäftsführer von SapientRazorfish Kontinentaleuropa und auch Präsident des GWA ist.

 

Der Pitch ist immer noch das wichtigste Werkzeug, um eine Agentur auszuwählen. Aber warum ist das so? Und: Bildet nicht gerade dieses Auswahlinstrument eine Sondersituation ab, die wie in einem Labor funktioniert?

Tim von der Decken: Gerade bei großen Budgets ist der Pitch deswegen so wichtig, weil man damit am effizientesten den richtigen Agenturpartner findet. Nur so kann die kreative Leistungsfähigkeit der Agenturen transparent dargestellt und verglichen werden. Nicht der einzige, wenn auch ein wichtiger Baustein, ist die abschließende Präsentation. Dieser geht eine Suche voraus, in der man sich immer intensiver mit den Agenturen beschäftigt. Hier fordert man Unterlagen an, schaut auf die Referenzen und stellt zahlreiche Fragen.

Aber der Pitch ist eine Sondersituation. Um diese möglichst realistisch zu gestalten, gibt es den vorgeschalteten Prozess. Erst wenn man den Ablauf ganzheitlich betrachtet, kommt man zu stimmigen Ergebnissen. Auch wenn der Pitch sicherlich Nachteile hat, muss man immer überlegen, wie sinnvolle Alternativen aussehen könnten. Diese sind sicherlich nicht reich gesät.

Wolf Ingomar Faecks: Alternativen gibt es mittlerweile durchaus. Diese sind allerdings arbeits- und zeitaufwendiger für die Kunden und entfernen sich von der derzeitigen ‚Beschallungssituation’ eines Pitches. Progressive Kunden arbeiten mit Workshops, wo man versucht, die Arbeitsweise von wenigen Agenturen genau zu verstehen; auch die Menschen möchte man intensiv kennen lernen. Hier verlässt man das Labor und erzeugt eine operative Arbeitssituation mit umsetzbaren Ergebnissen.

Bei den heute üblichen Pitches werden noch immer die Häuptlinge eingeflogen, die ein Kunde später nie wieder zu Gesicht bekommt. Pitches fördern eine Bühnensituation, die Agenturen natürlich dann für eine entsprechende Darstellung nutzen. Solche artifiziellen Situationen, bei denen der Kunde gleichsam ein Kino betritt und die Agenturen den Film vorführen, sind aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß. Statt Wegwerfbeziehungen sollten Partnerschaften aufgebaut werden. Stärker als die Showfähigkeit sollten sich Kunden dafür interessieren, wie Agenturen Probleme lösen. Pitches sind außerdem massiv geldverschwenderisch und damit ineffizient, weil nur ein Bruchteil der Ideen realisiert wird. Will man zu besseren Ergebnissen kommen, müssen sich Kunden stärker einbringen und mehr Zeit investieren.

Ist ein Pitch beim New Business deswegen so beliebt, weil er für das ausschreibende Unternehmen mit weniger Arbeit verbunden ist?

Von der Decken: Wenn man unter einem Pitch versteht, dass ich einfach zwanzig Agenturen anfrage und mir dann anschaue, was passiert, mag das so sein. Wenn ich aber einen Pitch ordentlich aufsetzte und mich mit den Agenturen intensiv beschäftige, kann davon keine Rede sein. Denken Sie an den Aufwand, wenn die Marketingkollegen die Agenturen der Shortlist vor Ort besuchen. Mit einem Pitch kann ich die Arbeiten der Agenturen transparent vergleichen. Dies ist sowohl für den Dienstleister aber auch für das ausschreibende Unternehmen ernorm wichtig.

Wenn es eine solche Pitchinflation beim New Business gibt, warum lassen sich viele Agenturen darauf ein? Sie können kaum auf das Auswahlverfahren einwirken, aber sie können zu einer Teilnahme Nein sagen. Warum passiert dies so selten?

Faecks: Sie finden sehr individuelle Gründe, da Agenturen laufend ihr Portfolio optimieren. Eine wichtige Ursache besteht sicherlich darin, dass wirtschaftliche Erwägungen Agenturen zwingen, auch an zweifelhaften Pitches teilzunehmen. Das Motto heißt dann: Dabei sein ist alles. Bei einigen Agenturen fehlen auch die professionellen Auswahlkriterien. Man nimmt auch dann an einem Pitch teil, der nur mangelhaft honoriert wird, wenn man damit die Chancen auf einen Award verbessert. Oder nehmen Sie eine Agentur, die schon langjährig für einen Kunden arbeitet. Auch wenn man weniger Geld verdient, verabschiedet man sich nicht so schnell aus einer solchen Beziehung. Andere Agenturen sehen einen Imagegewinn, für ausgewählte Kunden zu arbeiten, auch wenn geringe Tagessätze gezahlt werden.

Alle diese Gründe sind individuell berechtigt. Aber die Branche erreicht keine Augenhöhe, wenn man an problematischen Auswahlverfahren teilnimmt oder sich auf Kundenbeziehungen einlässt, die schlecht bezahlt sind. Wenn es immer wieder Agenturen gibt, die bereit sind, für geringste Honorare zu arbeiten, werden wir nicht gleichberechtigt behandelt.

Die gleiche Debatte haben wir bei Pitchhonoraren beim New Business. Hier fordern wir auch, dass Auswahlprozesse vergütet werden. Natürlich passiert dies nicht immer und dann wird eine Teilnahme verklärend begründet. Der Sache hilft das nicht. Hier kann ich nur appellieren, öfters Nein zu sagen. Wir müssen aufhören, nur einzuklagen, sondern müssen auch aufrecht gehen. Nur dann wird man als gleichberechtigter Partner betrachtet. Hier erwarte ich auch, dass Agenturen kritischer mit sich selbst sind. Sie sollten sich stärker von rationalen Kriterien leiten lassen. Reputation kann nicht das primäre Entscheidungskriterium sein.

Neukundengeschäft

Tim von der Decken, Vice President, Efficio

Stimmen Sie denn der These zu, dass sich die Anzahl der Pitches beim New Business in den letzten Jahren stark erhöht hat?

Von der Decken: Es ist nicht sinnvoll, auch kleinste Projekte pitchen zu lassen. Auf Dauer vergrault man sich so Agenturen, die aufgrund von betriebswirtschaftlichen Gründen daran nicht mehr teilnehmen. Man muss aber sagen, dass die Anzahl der Pitches in den letzten Jahren zugenommen hat. Ein wichtiger Grund ist, dass der Einkauf stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden ist. Dies gilt heute stärker für Konzerne, setzt sich aber bei mittelständischen Unternehmen vermehrt durch.

Wie stellt sich Ihnen die Zusammenarbeit zwischen Marketing und Einkauf dar?

Faecks: Wir stellen hier eindeutig fest, dass der Einkauf immer öfters im Lead ist. Hier sind mitunter Mitarbeiter am Werk, die Agenturen wie Schrauben einkaufen. Dadurch wird vom Procurement eine Todesspirale in Gang gesetzt. Denken Sie nur an die Mitarbeiter auf Agenturseite, deren Qualifikation genau deswegen immer weiter abnimmt. Der Einkauf will den möglichst billigsten Preis erzielen; Werte zu schaffen, hat nur eine geringe Bedeutung. Die Macht des Einkaufs geht hier in eine völlig falsche Richtung.

Von der Decken: Unser Verständnis ist, dass der Einkauf eine Dienstleistung ist, der den Prozess begleitet. Das Marketing trifft die Entscheidungen. Der Einkauf gibt Rahmenbedingungen einer Zusammenarbeitet vor. Aber das Marketing bestimmt, mit welcher Agentur man einen Vertrag schließt. Bei der Beschaffung aller Dienstleistungen gibt es den Wunsch, mehr Transparenz zu schaffen. Diesen Trend finden Sie bei der Auswahl von Rechtsanwälten genauso wie bei der von Agenturen. In der Vergangenheit gab es genau diese Transparenz im Marketing nicht. Dass es bei einem Pitch eine Person, oft aus dem Einkauf, gibt, die sämtliche Kommunikation bündelt, hat zum Beispiel etwas mit Transparenz zu tun. Es soll eben keine Agentur geben, die deswegen bessere Chancen hat, weil sie besondere Kommunikationswege zum Marketingleiter aufgebaut hat. Dass der Einkauf im Lead ist, sehe ich zwar bei einigen Pitches; ansonsten kann davon aber keine Rede sein. Ein guter Marketingleiter lässt sich nicht den Agenturpartner vorschreiben.

Faecks: Diese Partnerschaftlichkeit sehe ich so überhaupt nicht. Dies liegt auch an der ganz unterschiedlichen Incentivierung von Marketing und Einkauf. Der Einkauf bekommt dann mehr Geld, wenn er die Kosten reduziert. Er wird nicht dafür bezahlt, die besten Ergebnisse für das Unternehmen zu erzielen. Die fehlende Zusammenarbeit sehen Sie, wenn sich die Marketingleute bei ihren Agenturen über die schlechte Situation und das hohe Misstrauen mit dem Einkauf ausheulen. Agenturen als Spielball zu verwenden, ist nicht in Ordnung.

Von der Decken: Die Zeiten sind lange vorbei, wo Einkäufer nur nach ihren Einsparungen bezahlt wurden. Diese sind sicherlich noch wichtig, aber daneben gibt es noch andere Bewertungskriterien, die eine Ausbalancierung erreichen. Außerdem handelt es sich bei den Budgets im Marketing in der Regel um fixe Beträge. Deren Höhe steht nicht zur Diskussion, wohl aber welche Agentur, wie viel erhält und wofür man es ausgibt. Der Einkauf soll genau bei diesen Fragen unterstützten. Dies ändert aber nichts an den Problemen speziell zwischen Marketing und Einkauf. Lange Jahre hat der Marketingleiter selbst eingekauft. Diese Verantwortlichkeit musste er nun an Kollegen abgeben, die damit auch noch in anderen Bereichen erfolgreich waren. Dass man damit nicht zufrieden ist, kann ich gut verstehen. Um solche Verwerfungen zu verhindern, müssen Marketing und Einkauf von vorne herein partnerschaftlich arbeiten.

Was sollte ein Einkäufer, der Agenturleistungen einkauft, genau darüber wissen?

Von der Decken: Jeder Einkäufer sollte sich intensiv mit dem Markt beschäftigen und wissen, wie Agenturen funktionieren. Eine Zusammenarbeit mit dem Markting kann nur dann klappen, wenn man sich in diesem speziellen Gebiet auskennt. Nur dann kann man mit den Kollegen gleichberechtigt sprechen. Gerade bei Unternehmen, wo ein Einkäufer aufgrund des geringen Marketingvolumens auch andere Leistungen einkauft, gibt es sicherlich einen Verbesserungsbedarf. Hier wissen die Kollegen häufig zu wenig.

Kontrovers wird immer wieder das Thema Pitchonorare beim New Business diskutiert. Warum ist es Agenturen so wichtig?

Faecks: Wenn Agenturen beim New Business pitchen, zeigen sie unmittelbar umsetzbare Ergebnisse. Auch Ideen, die nicht vom Sieger kommen, sind sofort nutzbar. Agenturen arbeiten weiter, als man dies von anderen Branchen kennt. Ein IT- oder Unternehmensberater liefert Angebote und einen methodischen Rahmen, hier werden aber keine Ergebnisse gezeigt. Die lässt man sich bezahlen.

Von der Decken: Das Honorar beim New Business sollte nur eine Frage sein, ob man bei einem Pitch dabei ist. Wichtig ist außerdem, dass die Anzahl der teilnehmenden Agenturen auf am besten drei begrenzt ist und dass das ausgelobte Budget ausreichend hoch ist. Sind diese wichtigen Kriterien erfüllt, sollten Agenturen nicht für ihren Vertrieb bezahlt werden.

Diesr Beitrag ist auch bei Lead-Digital erschienen:This content is only available in German.