Je stärker der Wettbewerb, desto wichtiger die Marke. So viel ist klar. Umgekehrt heißt das: Wer mit etwas völlig Neuem auf einen noch unbearbeiteten Markt kommt, muss nicht sofort sehr viel in die Markenführung investieren. Und: Nicht jedes Angebot kann und muss zur Marke werden.
In meinem Artikel nach dem Gespräch mit dem Marketingleiter Alexander Posselt von Mytoys.com (Einen USP gibt es nicht mehr) habe ich davon berichtet, dass dort in den ersten Jahren nach Gründung des Unternehmens die Marke nicht im Mittelpunkt des Interesses stand. Hierauf musste man Prioritäten setzen, nachdem sich der Wettbewerb verschärft hatte.
„Wenn ich mit einer neuen Leistung einen neuen Markt erschließe und deswegen keinen Wettbewerb habe, brauche ich zunächst einmal keine Marke.“
Von Christoph Prox, Geschäftsführer von Icon Added Value, Marktforscher und Markenführungsspezialisten aus Nürnberg, wollte ich wissen, ob man eine solche Entwicklung generell beobachten kann. „Ob aus einem Angebot eine wirkliche Marke werden muss, hängt davon ab, ob das Angebot unique ist“, meint Prox. „Wenn ich mit einer neuen Leistung einen neuen Markt erschließe und deswegen keinen Wettbewerb habe, brauche ich zunächst einmal keine Marke. Wenn die Konkurrenz zunimmt, muss ich stärker in die Marke investieren, um mich zu behaupten und zu differenzieren.“
Auch eine einfach gestrickte Marke ist eine Marke
Ich habe die These aufgestellt, dass Marken generell an Bedeutung verlieren. Dies kann man in zwei Bereichen feststellen: Zum einen gibt es Unternehmen, die aus dem digitalen Bereich kommen und nun zum Beispiel im TV werben. Dort wird aber keine Marke aufgebaut; vielmehr ist das einzige Kaufargument der Preis.
Dazu meint Christoph Prox: „Für mich sind dies durchaus Marken, aber sie sind einfach gestrickt. Sie nutzen in der Tat primär das Preisargument. Solche Geschäftsmodelle funktionieren nur bei wenig emotionalen Produkten. Bei einem Auto, oder wenn es um Körperpflege geht, ist diese singuläre Argumentation nicht möglich. Oft arbeiten gerade digitale Händler mit dem Preis, weil sie wiederum auf Marken zurückgreifen.“ Erstaunlicherweise billigt man ihnen aber schon deswegen eine Kompetenz zu, weil sie im TV werben. „Wenn sie sich das leisten können, muss dahinter schon ein wirtschaftliches Unternehmen stehen. Das weckt Vertrauen“, so laute die Konsumentenmeinung. „Neben den üblichen Marken haben sich also andere Modelle etabliert, die auch erfolgreich sein können.“
Marke bedeutet Zeitersparnis
Wenn ich eine Marke kaufe, so bin ich bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen. Dafür spare ich Zeit, weil ich weiß, dass ich eine gleichbleibende Qualität erhalte. Diese Zeitersparnis bieten mir aber auch Portale wie Amazon. Dort helfen mir Bewertungen. Ich kaufe dort also sowohl günstiger als auch mit der Sicherheit auf Qualität. Dazu Christoph Prox: „Hier sehe ich in der Tat eine Gefahr für die Marke. Auch unbekannte Hersteller erhalten durch Bewertungen ein Qualitätsversprechen und werden so ‚markenähnlich’. Man kann Produkte zu einem höheren Preis verkaufen, obwohl man keine Marke ist. Empfehlungsmarketing kratzt also an den Marken, aber es kommt auch mehr und mehr an seine Grenzen.
Konsumenten sind sich nicht mehr sicher, ob Bewertungen real sind, oder ob sie vom entsprechenden Unternehmen gesteuert werden. Wenn dieses Vertrauen nicht mehr vorhanden ist, profitieren davon wiederum Marken. Wenn Empfehlungsmarketing zu einem Marketinginstrument und damit manipulierbar wird, verliert es seine Unschuld und wird an Bedeutung verlieren. Unternehmen sollten generell vorsichtig sein, wenn sie professionell in das Empfehlungsmarketing einsteigen; sie müssen damit behutsam umgehen, um nicht dem ganzen Instrument zu schaden und es zu entwerten.“
Dieser Beitrag ist auch auf acquisa erschienenThis content is only available in German.