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Traditionelle Unternehmen überlegen fieberhaft, was sie von den digitalen Marken lernen können. Aber auch die Newcomer erkennen ihrerseits immer mehr, was die etablierten ihnen Voraus haben. Genug Diskussionsstoff für ein Gespräch mit Vertretern aller Lager: Claus Fesel von DATEV, Tanja Bogumil von KISURA und Markus Kressmann vom High-Tech Gründerfonds.

Ihre Kunden haben sicherlich unterschiedliche Wünsche zu kommunizieren. Einige wählen die digitalen Wege, andere wollen lieber analog in Kontakt bleiben? Wie spreizen sich diese Wünsche?

Claus Fesel: Das Alter der meisten unserer Mitglieder ist 50 Jahre und älter. Auch wenn natürlich alle durchweg digital arbeiten, sind die analogen Optionen wie z.B. persönlicher Kundenkontakt, Veranstaltungen oder auch Kundenzeitschriften, weiterhin wichtig für uns. Wir stellen unsere Services neben unseren Mitgliedern auch kleinen und mittelständischen Unternehmen zu Verfügung; diese sind häufig stärker digital ausgerichtet. Generell sind die meisten Touchpoints digital, wir bedienen aus den oben genannten Gründen aber auch fast alle analogen Kontaktpunkte. TV und Funk nutzen wir nicht, Faxservices haben wir abgestellt. Mit der Vielzahl der Kanäle relativiert sich aber auch das Denken in Zielgruppen. Ich kann zwar einen Kanal für eine bestimmte Zielgruppe konzipieren, kann aber nie wissen, welche weiteren Zielgruppen den Kanal nutzen. Deshalb ist es wichtig, dass alle Kanäle aus dem Unternehmen mit denselben Botschaften und eng miteinander verzahnt arbeiten.

Tanja Bogumil: Zentral hat sich geändert, dass Kunden  nicht mehr zwischen den Kanälen unterscheiden, sondern – ob digital und technik-affin oder eher weniger – omnikanal denken. Deswegen, das ist die große Herausforderung, müssen das Einkaufs- und Markenerlebnis einheitlich sein. Außerdem muss die visionäre Denke mit dem heutigen Status der Kommunikation ausbalanciert sein. Hier gibt es alleine in den letzten vier Jahren starke Veränderungen. Gestartet sind wir bei KISURA beispielsweise mit einem telefonischen Kontakt zwischen unseren Modeberaterinnen und unseren Kundinnen. Heute wird das Telefon nur noch sekundär genutzt. Viel wichtiger sind Instant-Communication Tools wie Skype oder Whats-App. Diesen, sich verändernden Bedürfnissen muss man sich laufend anpassen und gleichzeitig voraus denken.

Markus Kressmann Copyright: High-Text Gründerfonds

Markus Kreßmann: Seitens unseres Fonds sehen wir die Gründer und Start-ups, die von uns eine Finanzierung erhalten möchten, ebenfalls als „Kunden“ an. Hier sieht man ganz klar die starke Entwicklung in der Kommunikation hin zu digitalen Formen. In den ersten Jahren haben wir beispielsweise Unterlagen von den Start-ups vereinzelt noch gedruckt erhalten, heute geschieht dies durchweg digital. Ebenso verhält es sich bei unseren digitalen Unternehmen, die sich an den jeweiligen Kundenbedürfnissen ausrichten und ebenfalls immer digitaler in ihrer Kommunikation werden.

Den traditionellen Firmen sagt man nach, dass sie weniger kundenorientiert und weniger dialoginteressiert sind, als man dies bei den digitalen Unternehmen findet. Wie sehen Sie das?

Fesel: Dem kann ich nicht folgen. Gerade wir setzen bei Bestellungen, bei Services usw. voll auf die digitalen Kanäle. Genau das wird auch erwartet. Wer hier nicht kundenorientiert ist, den bestraft der Markt. Die Dialogorientierung sehen Sie auch an unserer Präsenz und Aktivität in allen sozialen Netzen. Diese Ausrichtung finden Sie bei den allermeisten traditionellen und nicht nur bei den digitalen Unternehmen.

Bogumil: Jedes Unternehmen behauptet, kundenorientiert zu sein. Aber genau dies ist die größte Herausforderung. Um die Kundenbedürfnisse zu verstehen, muss man nachfragen, zuhören und die gewonnenen Erkenntnisse umsetzen. Gerade große Unternehmen schreiben sich die Kundenorientierung in ihre Werte, aber dies zu leben, ist aufgrund der Größe oft schwierig. Einfacher ist dies in kleinen, agilen Teams wie es in Start-ups in der Regel der Fall ist. Die Nähe zum Kunden ist hier greifbar, und sie gehört zum täglichen Brot jedes Mitarbeiters. Der Servicegedanke muss sowohl verankert, als auch umgesetzt werden. Kundenorientierung ist eben nicht die Abteilung hinten links, sondern es sind alle Mitarbeiter.

Kreßmann: Kundenorientierung zeichnet ein gutes Unternehmen aus, sei es ein Start-up oder ein etabliertes Unternehmen. Am besten ist diese messbar und mit Analytik hinterlegt. Die starken Unternehmen verstehen die Kommunikationswege ihrer Kunden. Die traditionellen Unternehmen kennen ihre Abnehmer durch ihre lange Marktpräsenz schon sehr gut. Allerdings müssen sie sich eine Offenheit und Flexibilität für die Digitalisierung bewahren, um nicht ihre gute Position zu verlieren. Dabei sollten alle Mitarbeiter neue Technologien adaptieren und das Wort  „Digitalisierung“ mit Leben füllen. Herausforderung für die traditionellen Unternehmen ist es zudem, diese neuen digitalen Anwendungen mit den bestehenden „Legacy“-Systemen zu verzahnen. Wir als Fonds nutzen neue digitale Technologien von unseren Portfolio-Unternehmen selbst. So schärfen wir stets unsere Offenheit für Neues.

Claus Fesel Copright: DATEV

Fesel: Gerade kleinere Unternehmen haben einen anderen Spirit als zum Beispiel die DATEV. Aber unsere Kundenorientierung sehen Sie daran, wie intensiv wir unsere Mitglieder zum Beispiel bei der Produktentwicklung einbinden. Unser Vorteil liegt sicherlich in der Genossenschaft, die weit weg von Shareholder Value ist. Dazu haben wir mit unserem Außendienst einen starken direkten Kontakt zu unseren Kunden. Die Gleichung, dass große Unternehmen weniger kundenorientiert sind, gilt sicherlich für die DATEV aber auch für viele andere große ebenso nicht.

Wie wichtig ist Schnelligkeit auch im Hinblick auf die Marken-Kommunikation mit Kunden?

Bogumil: Tempo ist heute überlebenswichtig. Schnelligkeit ist ein fundamentaler Erfolgsfaktor und fängt bei der Validierung des Geschäftsmodells an. Als Start-up können wir uns Kurswechsel leisten, weil wir dank flacher Hierarchien beweglich und flexibel sind. Wir wollen nicht mit einem 100 Prozent perfekten Produkt auf den Markt gehen, sondern die zentralen Fragestellungen validieren und später mit Feedback verbessern. Die Optimierung muss natürlich auch stattfindet, sonst verliert man schnell die Glaubwürdigkeit. Wie schon Reid Hofman frei übersetzt sagt: „Wenn Du Dich für Deine erste Version nicht schämst, warst Du zu langsam!“ Bei Fehlern ist Transparenz wichtig und Rückfragen gehören ernst genommen. Eine zweite Chance hat jeder verdient, aber die muss genutzt werden.

Fesel: Gerade bei der Produktentwicklung sind die Start-ups, was die Geschwindigkeit angeht, den großen Unternehmen überlegen. Dies gilt aber nicht für die Kommunikation.

Kreßmann: Desto weniger ein Unternehmen über Patente und Technologien geschützt ist, desto schneller muss es im Markt agieren, um eine relevante Position zu erlangen. Jedes Unternehmen hat dafür nun einmal ein begrenztes Marktfenster. Dies gilt es optimal zu nutzen.

Was sind die wichtigsten Veränderungen der Marken -Kommunikation durch die Digitalisierung?

Tanja Bogumil Copyright: KISURA

Fesel: Die wichtigste Veränderung ist, dass die Führung der Marken nicht mehr so stringent erfolgt. Konsumenten gestalten das Bild der Marke heute deutlich mit; es entsteht in der Interaktion mit ihnen. Das Unternehmen ist der Impulsgeber, der aber den Markenkern definiert.

Kreßmann: Die sozialen Kanäle sind für die Führung der eigenen Marken deutlich wichtiger geworden. Auch wir als Fonds haben unseren Dialog in dieser Hinsicht in den letzten Jahren deutlich verändert. Bei unseren Start-ups muss man unterscheiden, ob sich das Unternehmen im B2B- oder im B2C-Bereich bewegt. Im erstgenannten ist die Marke zwar wichtig, hat aber eine geringere Priorität. Im Endkundenbereich ist die Zielgruppe eine viel größere. Nicht umsonst kommen die Unternehmen mit den weltweit größten Markenwerten aus dem B2C-Sektor oder das Business ist B2C dominiert.

Bogumil: Gerade wenn man als Endkunde ein Produkt gegen ein anderes substituieren kann, wird die Marke entscheidend Bei Start-ups findet man den Zielkonflikt zwischen wenig Geld und teurem Markenaufbau. der auch noch erst mittelfristig wirkt. Daher widmen sich die meisten Start-ups erst den kurzfristigen Zielen, Umsatz und Wachstum steigern. Wir Start-ups können aber von Etablierten eine Menge über Markenführung lernen. Der stationäre Modehandel schafft es zum Beispiel wunderbar, das Erlebnis der Marken über die Verpackung bis nach Hause zu transportieren. So werden emotionale Erlebnisse generiert, die in die Marke einzahlen. Generell gewinnt die Verpackung bei Start-ups an Bedeutung, um Emotionalität zu erzeugen. Ähnlich verhält es sich bei den digitalen Schaufenstern der Online Shops. Diese wurden bis vor kurzer Zeit auf Effizienz getrimmt, heute laden diese Webseiten zum Stöbern und Verweilen ein. Das Einkaufserlebnis wird überall wichtiger.

Welches sind Ihre wichtigsten Kontaktpunkte, um die Marken zu führen?

Fesel: Der wichtigste ist sicherlich unsere Programmoberfläche und dann unser Servicecenter. Danach folgt aber auch gleich der Außendienst, der einen direkten Kontakt zu unseren Kunden hat. Was Frau Bogumils Paket ist, ist bei uns die Mitarbeiter im Feld. Gleichwohl muss man aber sehen, dass dies natürlich eine teure Angelegenheit ist. Wir überlegen immer, in welchem Kosten-Nutzen-Verhältnis dies zueinander steht.

Kreßmann: Wie sich die Kontaktpunkte der Marken verändern können, sieht man z.B. an unserem Portfolio-Unternehmen Mister Spex. Das ist rein digital gestartet und hat dann bei ausgewählten Optikern Beratungen angeboten. Vor Kurzem wurden nun eigene stationäre Shops eröffnet, der erste in Berlin. Man muss außerdem die Vor- und Nachteile aller Kommunikationswege kennen, diese balancieren und monitoren. Mit TV und eigenen Shops wird großes Potenzial erschlossen. Beides führt zur Stärkung dieser Marke. Dieser Weg wird eingeschlagen, um in jeder Hinsicht ein wirklich großes Unternehmen zu bauen.

Bogumil: TV ist und bleibt ein Massenmedium. Konsumenten sehen hierin auch ein Qualitätsmerkmal. Gerade wenn es um einen Winner-takes-it-all-Markt geht, kann TV-Werbung entscheidend sein, auch wenn es immer noch teuer ist. Bei der digitalen Kommunikation ist von Vorteil, dass man die unterschiedlichen Botschaften günstig testen kann.

Content-Marketing ist ja hoch aktuell. Wie wichtig ist es für Sie?

Fesel: Aus meiner Sicht ist es alter Wein in neuen Schläuchen, den Agenturen nutzen, um ein frisches Thema zu präsentieren. Wir nutzen es schon lange, und es ist für uns nichts Neues.

Bogumil: Der neue Gedanke besteht im Perspektivwechsel vom Unternehmen zum Kunden. Deswegen ist es aus meiner Sicht auch so wichtig.

Kreßmann: Für mich ist es ein klares Buzz-Wort. Die dahinter liegenden Aspekte sind allerdings von hoher Relevanz. Auch wir nutzen es schon lange und geben informierende bzw. unterhaltende Themen in unsere Kommunikationskanäle.

Herr Kreßmann: Was war Ihre größtes Learning bei der Marken -Kommunikation in den letzten 12 Monaten?

Die nach wie vor hohe Relevanz von Fernsehwerbung für den Brandaufbau.

Herr Fesel: Um was beneiden Sie eine Marke wie die von Frau Bogumil?

Die Geschwindigkeit mit der sie Projekte und Dienstleistungen anpassen kann.

Frau Bogumil: Um was beneiden Sie eine Marke wie die von Herrn Fesel?

Das starke Vertrauen in die Marke und die daraus resultierende Stabilität des Geschäftsmodells.

Dieser Beitrag ist auch bei LEAD digital eerschienen.This content is only available in German.